Kondolenzbrief der Bürgermeisterin im Namen der Stadt Crivitz
Wenn ihr mich sucht, sucht in euren Herzen.
Habe ich dort eine Bleibe gefunden, lebe ich in euch weiter.
Rainer Maria Rilke
Liebe Familie Rathke,
im Namen der Stadt Crivitz bedanken wir uns bei unserem Ehrenbürger, Pastor und außergewöhnlichen Menschen Heinrich Rathke,
der für viele Crivitzer wie ein Familienmitglied in der großen Familie Crivitz war und bleiben wird, für all sein Engagement und Herzblut für die Sache und für die Menschen. Wenn wir auf sein Lebenswerk schauen, fragt man sich, wieviel Engagement, Fleiß,
Zielstrebigkeit und Kampf für Gerechtigkeit passt in ein Menschenleben.
„Er war nicht nur engagierter Pastor sondern auch Bischof und wissenschaftlicher Theologe, ein aufrechter Demokrat und Streiter gegen staatliches Unrecht. Er lehrte uns den „aufrechten Gang“. „ sagt ein ehemaliger Crivitzer Mitstreiter über ihn.
Die große weite Welt war sein Zuhause. Für andere Menschen seine ganze Kraft zu geben, war sein Leben. Selbst im Ruhestand war er unermüdlich und immer bereit, eine Aufgabe zu erfüllen, ein Ziel zu erreichen. Keine Hürde konnte groß genug sein. Aufgeben war für ihn nie eine Option.
Ein großes Dankeschön gilt auch der Familie, die ihm den Rücken freigehalten hat, um all das zu leisten. Unsere Gedanken sind in dieser schweren Zeit bei Ihnen.
Wir möchten Ihnen hiermit Trost und Zuversicht zusprechen.
Dankeschön an all seine Freunde und Weggefährten, die an seiner Seite waren und mitgeholfen haben, seine Ideen und Überzeugungen mitzutragen und in die Tat umzusetzen.
Für uns Crivitzer war er ein Mensch, dem die Welt nicht groß genug sein konnte, um Gutes zu tun und für seinen Glauben zu kämpfen.
Damit hat er bleibende Spuren in unserer Stadt hinterlassen.
Er wird weiterleben in unseren Herzen und in unserer Stadt!
In stillem und ehrendem Gedenken
Britta Brusch-Gamm, Bürgermeisterin Stadt Crivitz Crivitz, 28.01.2024
Nachruf der Stadt Crivitz für ihren Ehrenbürger Dr. Dr. hc. Heinrich Rathke
Am 17. Januar 2024 erreichte Crivitz die traurige Nachricht vom Tod unseres Ehrenbürgers Heinrich Rathke.
Wer war Dr. Dr. hc. Heinrich Rathke?
Er war ein besonderer Mensch: Ein engagierter Pastor, Bischof und wissenschaftlicher Theologe, ein aufrechter Demokrat und Streiter gegen staatliches Unrecht. Er lehrte uns den „aufrechten Gang“.
Am 12. Dezember 1928 wurde Heinrich in Mölln, im damaligen Kreis Malchin in Mecklenburg geboren. Die Eltern waren eine junge Pastorenfamilie, Hedwig und Paul Rathke. 1935 kam Heinrich in die Grundschule in Malchin. Sein Vater hatte dann dort eine Pfarrstelle. 1940 wechselte Heinrich an die Oberschule nach Waren/Müritz. 1943 wurde Heinrich mit seinen Mitschülern des Jahrgangs 28 zum Marineeinsatz eingezogen. Sie sollten am Flagggeschütz den Nord – Ostseekanal und später Berlin verteidigen. Das Kriegsende erlebte Heinrich bei Plön. Die Schulzeit konnte er dann in Lübeck mit dem Abitur 1949 abschließen.
Seine berufliche Entwicklung
Heinrich Radtke wollte Pastor werden und begann ein Theologiestudium an der Universität in Kiel. Das erste theologische Examen bestand Heinrich bei der Bayrischen Landeskirche in Ansbach über Stationen in Erlangen, Tübingen und Mainz. Nun zog es ihn nach München, wo er auch seine spätere Frau Marianne kennen und lieben lernte. Es kam zu einem Pastorentausch zwischen der Bayrischen und der Mecklenburgischen Landeskirche.
Heinrich Rathke entschied sich für Mecklenburg, was für ein Weg im Jahr 1953. Am 19.April 1954 wurde Heinrich Rathke in Mecklenburg zum Pastor ordiniert. Die erste Gemeinde war dann Warnkenhagen im Kirchenkreis Güstrow. In die Warnkenhagener Zeit fällt auch die Promotion zum Dr. der Theologie an der Universität Rostock.
Weiter ging es 1962 nach Rostock Südstadt. Hier warteten neue und herausfordernde Aufgaben: Kirche in einem sozialistischem Neubaugebiet ohne kirchliche Infrastruktur. Kirche im Zirkuswagen ist mit dem Namen Heinrich Rathke verbunden und berühmt.
1970 bis Anfang 1971 wurde er Landespastor im Amt für Gemeindedienst in Güstrow.
Aus dem Pastor Rathke wurde Bischof Rathke
Am 28. November 1970 wählte ihn die Landessynode in Mecklenburg zu ihrem neuen Landesbischof. Am 27. März 1971 wurde Heinrich Rathke im Schweriner Dom in das Bischofsamt eingeführt. Eine herausfordernde Aufgabe im Sozialismus und unter Beobachtung der Staatssicherheit in der DDR. Auf der Bundessynode 1971 legte er mit seinem Vortrag „Kirche für andere“ eine wichtige Grundlage für die Stellung der Kirchen in der DDR. Seit 1972 setzte er sich besonders für die unter Stalin verschleppten Russlanddeutschen in Sibirien, Kasachstan und Mittelasien ein. 1984 beendete er von sich aus das Bischofsamt, um eine zeitliche Begrenzung kirchlicher Ämter durchzusetzen.
Sein Wirken in Crivitz und darüber hinaus
Heinrich Ratke ging zurück in den Dienst als Gemeindepastor. Als zukünftigen Arbeitsort wählte Familie Rathke Crivitz. Mit ihnen zog eine neue Herzlichkeit in unser Crivitzer Pfarrhaus. Wir haben die Rathkes als besonders fleißige Mitmenschen kennengelernt.
Der neue Pastor hatte den Ehrgeiz, möglichst viele Crivitzer kennen zu lernen. Hausbesuche zählten zu seinen wichtigsten selbstgestellten Aufgaben. Er förderte Chor und Posaunenchor, ein neuer Seniorenkreis wurde gegründet, die Konfirmanden wurden betreut. Dazu kamen außerdem neue internationale und innerdeutsche Gemeindebeziehungen: Mit der Friedenskirchengemeinde Dachau / Bayern und der Gemeinde Bunnik in den Niederlanden begannen partnerschaftliche Beziehungen. Die Besuche waren bis 1989 nur einseitig bei uns, dafür war der Briefwechsel umso stärker. Aus seiner Bischofszeit brachte Heinrich Rathke die Kontakte zu den evangelischen Christen in Kasachstan mit und pflegte diese auch mit möglichst jährlichen Besuchen.
Die Friedliche Revolution
Und dann kam das Jahr 1989: in der gesamten DDR begann die Friedliche Revolution mit Demonstrationen und Bürgerversammlungen. Die Menschen sehnten sich nach Freiheit und Selbstbestimmung. Auch wir in Crivitz waren Teil dieser Bewegung. Und die Crivitzer Kirche mit ihren Gemeinderäumen und ihrem Pastor wurden zum Zentrum unserer Aktivitäten.
Die „Politische Bürgerinitiative Crivitz“ wurde gegründet, Bürgerversammlungen und eine Demonstration Kirche – Markt organisiert. Die Crivitzer hatten einen eigenen Block bei den Montagsdemos in Schwerin. Dazu kam das Enttarnen der Stasispitzelwohnungen und weiterer Stasistützpunkte in und um Crivitz. Die Bunkeranlage der Staatssicherheit am Waldschlösschen wurde zum Schwerpunkt der Aktivität. Mahnwachen und Sperrung der Einfahrten wurden organisiert. Am 16.Januar 1990 wurde die Bunkeranlage von der Staatssicherheit an die Politische Bürgerinitiative Crivitz und weiter an die Nationale Volksarmee übergeben.
Heinrich Rathke verdiente sich bei Allen höchsten Respekt und aus heutiger Sicht höchste Anerkennung.
Crivitz ernennt einen Ehrenbürger
Am 01.Oktober 2000 wurde Heinrich Rathke zum Ehrenbürger der Stadt Crivitz ernannt. Die Laudatio hielt der spätere Bundespräsident Joachim Gauck. Zeitgleich mit Joachim Gauck, am 20. Januar 1999, erhielt Heinrich Rathke die Ehrendoktorwürde der Universität Rostock. Zusammen mit dem Sprecherrat der „Politischen Bürgerinitiative Crivitz“ ist Heinrich Rathke ins Ehrenbuch der Stadt Crivitz eingetragen.
Sein (Un) Ruhestand
Im Jahr 1991 wurde die Arbeitsbelastung zu groß, und die Gesundheit forderte ihren Tribut. Pastor Heinrich Rathke ging in den Ruhestand und verließ Crivitz Richtung Schwerin. Aber wer Heinrich kennt, weiß es geht weiter.
Sein Engagement für die evangelisch-lutherische Gemeinde in Kasachstan
Die Sowjetunion zerfiel 1990 in eine Vielzahl von selbstständigen Staaten. Am 25.Oktober 1990 erklärte sich die Autonome Republik Kasachstan unabhängig. Ab diesem Zeitpunkt war es möglich, dass sich die evangelischen Brüdergemeinden im Land zur Evangelischlutherischen Kirche in der Republik Kasachstan zusammenschlossen. Aber auch dieser Schritt musste vorbereitet und organisiert werden. Heinrich Rathke wurde von den christlichen Gemeinden in Kasachstan und von Erzbischof Kretschmer gebeten, dieses für die Menschen in Kasachstan zu leisten. Er wurde im sibirischen Omsk zum Bischöflichen Visitator für Kasachstan eingesetzt.
Bis zum Schluss arbeitete Heinrich Rathke an der wissenschaftlichen Aufarbeitung der deutschen Diktaturen.
Helmuth Schröder