7. Juli 2019 — Ein besonderer Besuch
Die Begegnung mit der Familie Levy aus Armonk (Bundesstaat New York, USA mit ca. 3500 Einwohnern) wird mir wohl im besonderen Maße in Erinnerung bleiben.
Zur Geschichte:
Die Vorfahren der Familie Levy kommen aus Crivitz. Schon Mitte des 18. Jh. fanden sie Erwähnung in alten städtischen Dokumenten. Die Familie von Levin Jacob, handelte schon in damaliger Zeit unter anderem mit Leder. Aus dem Nachnamen Jacob wurde zum Anfang des 19 Jh. der Nachname Jacobson.
Der Sohn Levy Jacobson (geb. 1797) gründete das Kaufhaus in der Parchimer Straße, nach Aktenvermerken von vor 1849.
Levy Jacobson verstarb am 21. Januar 1871 im Alter von 74 Jahren. Sein Sohn Eduard (geb. 1834 als drittes Kind von sechs Geschwistern) übernimmt 1870 das Kaufhaus vom Vater. Im gleichen Jahr heiratete er Pauline Adler aus Parchim mit der er zusammen fünf Kinder bekam.
Alfred (das fünfte Kind von Pauline und Eduard, geboren am 4.8.1878) wird der Erbe des Geschäfts in der Parchimer Straße. 1903 übernahm er es vom Vater und heiratete im gleichen Jahr Ida Loewi aus Neukahlen.
Er ließ das Gebäude umbauen und erweitern da die Geschäfte gut liefen und es notwendig wurde.
Die Jahreszahl 1911 im Giebel kündet heute noch davon.
Alfred fiel im ersten Weltkrieg 1918 in Frankreich. Aus seiner Ehe mit Ida wurden fünf Kinder geboren, wobei die erste Geburt eine Zwillingsgeburt war und kein Kind überlebte. Die anderen drei Söhne wanderten gleich Anfang er 1930iger Jahre nach Palästina aus.
Mit dem Kaufhaus ganz allein und überlastet, heiratete Ida Jacobson 1920 den aus Krakow stammenden Kaufmann Hugo Loewenstein.
Mit Beginn der Hitler-Zeit begannen auch für das Kaufhaus schwierige Zeiten, auch wenn sich zum Anfang die Kunden davon noch nicht abschrecken ließen. Die Kundenfreundlichkeit, Kulanz in Zahlungsdingen bescherten dem Kaufhaus treue Kunden.
Der neue Bürgermeister Dr. Otto Boueke war ein begeisterter Nazi. Sein Ziel das Kaufhaus zu „arisieren“ hatte für ihn hohe Priorität. Die Repressalien denen sich Ida und Ihr Mann Hugo ausgesetzt sahen wurden immer größer und zum Schluss gaben Sie auf und verkauften das Kaufhaus laut Kaufvertrag für 40.000,00 Reichsmark, von denen aber nur die Hälfte bei Übergabe gezahlt werden musste, der Rest in Raten später. In heutiger Zeit ein Wert von ca. 9.302 €. Was auch zu damaliger Zeit ein Schnäppchen war, und diese wohl auch nicht voll bezahlt wurden, sondern nur die 20.000 Reichsmark bei Übergabe.
Da mit dem Verkauf des Hauses ja nun auch die Wohnung nicht mehr zur Verfügung stand, zogen die Beiden nach Hamburg. Von da sollte es dann weiter nach Palästina gehen. Leider wurde auch das nichts.
Im Jahre 1941 wurden sie deportiert. Dabei waren sie schon in Sicherheit, denn im März 1936 sind Ida und Hugo schon einmal nach Palästina gefahren die Kinder und deren Familien zu besuchen. Das Angebot bei Ihrer Familie zu bleiben hat Ida abgelehnt mit den Worten: „Ich bin eine deutsche Staatsbürgerin mit jüdischem Glauben.“. Und außerdem hat ihr erster Mann im ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft und ist gefallen.
Die Liebe, der gezeigte Patriotismus zu Deutschland war ihr Todesurteil!
Während ihrer Europareise im Juli 2019 haben direkte Nachkommen der jüdischen Kaufmannsfamilie Jacobson / Loewenstein am 07. Juli 2019 wieder einmal die Heimatstadt ihrer Vorfahren besucht.
Das Ehepaar Frank und Marilyn Levy kam mit ihren Kindern und Enkelkindern nach Crivitz. Es gab ein gemütliches Beisammensein beim gemeinsamen Mittagessen im „Haus Seeblick“.
Bei einem Rundgang durch Crivitz vorbei am Denkmal in der Weinbergstraße, wo auch aus der Kaufmannsfamilie Namen zu finden waren, bis hin zu der alten Wirkungsstätte der Familie in der Parchimer Straße. Das Haus wurde von allen Seiten begutachtet und mit alten Bildern verglichen. Schön ist es, dass ein Stückchen Zeitgeschichte nicht in Vergessenheit gerät, sondern am Leben erhalten wird.
Anschließend gab es einen und eine gemütliche und unterhaltsame Kaffeetafel bei Familie Dr. Fritz-Herrmann Rohde und seiner Frau, in der Bahnhofstraße.
Am späten Nachmittag war dann noch ein Schlossbesuch in Schwerin eingeplant.
Die Familie Levy möchte den Kontakt nach Crivitz auch weiterhin aufrechterhalten und freut sich auf weitere Besuche in Crivitz.
verfasst: Dieter Conell / Jana Nützmann
nach Karl-Friedrich Röhl „Geschichte der jüdischen Bürger in Crivitz“